Nicht geringe Menge bei Anbau von Marihuana

Die nicht geringe Menge bei Anbau von Marihuana hat theoretisch keine Bedeutung. Zum Anbau kommt aber in der Regel eine Strafbarkeit wenigstens wegen Besitz, Handeltreiben und/oder Herstellung in Betracht. Hier beginnt die nicht geringe Menge auch bei 7,5 Gramm THC. Das entspricht einer Bruttomenge von 75 Gramm Marihuana bei durchschnittlichem Wirkstoffgehalt von 10% THC.

Ist die nicht geringe Menge erreicht, beträgt die Strafe nach § 29a BtMG grundsätzlich ein Jahr bis fünfzehn Jahre. Geldstrafe ist hier grundsätzlich nicht mehr möglich.

Nicht geringe Menge Anbau Marihuana

Bedeutung der nicht geringen Menge beim Anbau

Die vorgeworfene Menge der Betäubungsmittel ist oft das größte Kriterium bei der zu erwartenden Strafe im Betäubungsmittelstrafrecht.
Die ist nicht nur auf der Ebene der Strafzumessung der Fall, sondern schon beim Strafrahmen.
Der einfache Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz in § 29 BtMG wird nur mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Anders liegt der Fall, wenn eine nicht geringe Menge erreicht ist. Dann ist § 29a BtMG einschlägig und die Strafe beträgt ein Jahr bis zu fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe.

Das Anbauen fällt grundsätzlich nicht unter § 29a BtMG. Das bedeutet, auf den eigentlichen Anbauvorgang steht bei überschreiten der nicht geringen Menge eigentlich keine Mindestfreiheitsstrafe. Mit dem Anbau sind aber in der Regel verschiedene weitere Delikte verwirklicht. Im Einzelfall stehen andere Delikte im Raum abhängig davon, welcher Zweck mit dem Anbau verfolgt wird:

  • Eigenverbrauch: Besitz
  • Wird zum Verkauf angebaut: Handeltreiben
  • Wird abgeerntet, getrocknet und/oder verarbeitet: Herstellung

Maßgeblich für die Beurteilung der nicht geringen Menge ist die Nettomenge des Wirkstoffes. Es ist also meist ein Wirkstoffgutachten notwendig, das von Gericht oder Staatsanwaltschaft angeordnet wird. Der Wirkstoffgehalt von sichergestelltem Marihuana reicht von deutlich unter 3 % bis (weit) über 20 %. In den meisten Fällen bewegt sich statistisch der Wirkstoffgehalt in Europa zwischen 7 % und 11 %. In unserer Praxis stellen wir aber viel häufiger Wirkstoffgehalte zwischen 10 % und 17 % THC fest.

Da es sich bei Cannabis um ein pflanzliches Produkt handelt, ist der Wirkstoffgehalt sehr unterschiedlich und nur schwer vorhersehbar.

Der von der Rechtsprechung angenommene Grenzwert für die nicht geringe Menge Cannabis beträgt 7,5 Gramm THC.

1. Das Tatbestandsmerkmal “nicht geringe Menge” in § 30 I Nr. 4 BtMG ist erfüllt, wenn das vom Täter eingeführte Cannabisprodukt – Cannabiskraut (Marihuana), Cannabisharz (Haschisch) oder Cannabiskonzentrat (Haschischöl) – mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthält.

2. Dieser Mindestwert gilt auch für das Merkmal “nicht geringe Menge” der Strafzumessungsregel in § 29 III Nr. 4 BtMG.

BGH, Urteil vom 18.07.1984 – 3 StR 183/84 (LG Düsseldorf)

Dieser Grenzwert wurde und wird regelmäßig bestätigt. Grundsätzlich gilt dasselbe für die nicht geringe Menge bei Anbau von Marihuana.

Enthält ein Cannabisprodukt mindestens 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC), so ist das Tatbestandsmerkmal “nicht geringe Menge” in §§ 29a I Nr. 2, 30 I Nr. 4 und 30a I BtMG erfüllt (Bestätigung von BGHSt 33, 8 = NJW 1995, 1404).

[…]

Bei Cannabisprodukten – Cannabiskraut (Marihuana), Cannabisharz (Haschisch) oder Cannabiskonzentrat (Haschischöl) – ist nach Auffassung des Senats das Tatbestandsmerkmal “nicht geringe Menge” in § 30 I Nr. 4 BtMG erfüllt, wenn das vom Täter eingeführte Betäubungsmittel mindestens 7,5 Gramm THC enthält.

Maßgebend hierfür sind folgende Erwägungen:

a) Cannabisprodukte sind von wesentlich geringerer Gefährlichkeit als Heroin. Anders als bei Heroin werden “äußerst gefährliche” toxische Dosen (vgl. BGHSt 32, 162 (164) = NJW 1984, 676) bei Cannabisprodukten nach bisherigen Erfahrungen jedenfalls so selten gewonnen, daß Angaben darüber nicht möglich sind. Nach einer Mitteilung des Bundeskriminalamtes an den Senat hat sich ein Symposium der mit der Analyse von Betäubungsmitteln betrauen Chemiker der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes am 21. und 22. 5. 1984 “angesichts der relativ geringen akuten Toxizität des THC nicht entschließen (können), eine lebensbedrohliche Einzeldoses anzugeben, zumal auch das einschlägige Schrifttum keine ausreichende Basis für eindeutige Aussagen bietet”. Im Hinblick darauf orientiert sich der Senat an der durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand.

b) Die Wirkung und der Wert der Cannabisprodukte hängen von dem Anteil des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) ab (Schulz-Wasilewski, Kriminalistik 1979, 13; Körner, BtMG, Anh. C 1 Bem. 10 Buchst. a). Deshalb hat der BGH wiederholt entschieden, daß dem Anteil reinen Tetrahyrocannabinols (THC-Gehalt) am Produkt maßgebende Bedeutung zukommt (BGH, NStZ 1984, 221; BGH, StrVert 1984, 155; BGH, StrVert 1984, 26; BGH, Beschl. v. 25. 5. 1984 – 2 StR 254/84). Die Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit von Cannabisprodukten ist Unsicherheitsfaktoren unterworfen.

BGH, Beschluß vom 20.12.1995 – 3 StR 245/95 (Ergangen auf Vorlagebeschl. des OLG Schleswig, NStZ 1995, 451)

Bei der Annahme der nicht geringen Menge sind auch die latent im Cannabisharz enthaltenen sonstigen psychotropen Substanzen Tetrahydrocannabinolcarbonsäuren (THCA) miteinzubeziehen.

Nicht geringe Menge bei Anbau von Marihuana

Fraglich war lange Zeit, wie die nicht geringe Menge beim Anbau von Marihuana mit dem Ziel des Handeltreibens bei noch nicht erntereifen Pflanzen zu bestimmen ist. Mittlerweile ist (leider) gefestigte Rechtsprechung, dass beim Anbau zum späteren Verkauf die Menge maßgeblich ist, die erzielt werden soll.

Bei einem auf spätere Veräußerung zielenden Anbau von Cannabispflanzen ist für die Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 I 1 Nr. 1 BtMG) vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a I Nr. 2 BtMG) die Menge maßgeblich, die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll.

BGH, Urteil vom 20. 12. 2012 – 3 StR 407/12 (LG Hannover)

Wird die Pflanze also vor Eintritt der Erntereife sichergestellt oder misslingt die Ernte, so ist die Wirkstoffmenge maßgeblich, die zur Zeit der Erntereife erreicht werden sollte. Dieser Ansicht des dritten Strafsenats am Bundesgerichtshof hat sich ebenfalls der fünfte Strafsenat angeschlossen.
Bei Anbau zum Handeltreiben wäre zum Zeitpunkt der Erntereife der Umsatz erfolgt und daher ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Dass die angestrebte Wirkstoffmenge tatsächlich nicht erreicht worden ist, ist ein bestimmender Strafmilderungsgrund. Selbstverständlich ist die Schätzung der zu erwartenden Ertragsmenge schwierig, so dass hier Angriffspunkte für die Strafverteidiger für BtM gegeben sind.

Die Rechtsprechung des BGH, dass es für die Beurteilung der nicht geringen Menge beim Anbau von Cannabis auf die geplante Menge ankommt, wurde (leider) vielfach bestätigt:

Bei einem – wie vorliegend – auf spätere Veräußerung abzielenden Anbau von Cannabispflanzen ist für die Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) die Menge maßgeblich, die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll.

BGH, Urt. v. 6. 11. 2013 – 5 StR 302/13 (LG Frankfurt/Oder)

Das Landgericht hat bei der Bewertung der Wirkstoffmenge der angebauten Cannabispflanzen auf die schlechte Qualität der von dem Angeklagten herangezogenen Cannabispflanzen abgestellt. Bei einem auf eine spätere Veräußerung zielenden Anbau von Cannabispflanzen – wie hier – kommt es für die Beurteilung der Handelsmenge zur Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge indes nicht entscheidend darauf an, welchen Wirkstoffgehalt die angebauten Pflanzen konkret haben, sondern auf welchen geplanten Umsatz die Aufzucht gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12 -, BGHSt 58, 99, juris Rn. 25). Danach ist die Menge maßgeblich, die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2016 – 4 StR 360/16 -, juris Rn. 9, BGH a. a. O., juris Rn. 27; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG 8. Auflage, § 29a Rn. 105).

KG Urt. v. 19.7.2017 – (569) 273 Js 3027/16 Ls Ns (119/16)

Dieses fiktive Abstellen auf den Zeitpunkt der Erntereife ist jedoch nur für den gewinnbringenden Umsatz der Fall. Die nicht geringe Menge bei Anbau von Marihuana, Abgabe und Besitz jeweils ohne gewinnbringenden Umsatz bestimmt sich nach dem Wirkstoffgehalt, den die Pflanzen bei Beendigung der Tathandlung oder bei Sicherstellung hatten.

Wird nicht mit dem Ziel des Verkaufs angebaut sondern zum Eigenverbrauch, kann sich die Strafbarkeit wegen nicht geringer Menge nach § 29 I Nr. 2 BtMG aus dem Besitz oder der Herstellung ergeben. Herstellung beginnt mit dem Abernten, Trocknen oder weiterverarbeiten des Marihuanas. Die Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt diejenige wegen Anbaus von Betäubungsmitteln nach § 29 I Nr. 1 BtMG zurück. Der Besitz in nicht geringer Menge tritt hinter das Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück.

Aufschlussreich hierzu ist BGH Urteil vom 16.10.2014, 3 StR 268/14, hier wird auch nochmals bestätigt, dass der gleichzeitige Besitz verschiedener, zum Eigenverbrauch bestimmter Betäubungsmittel durch den Angeklagten nur als ein einheitlicher Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu werten ist:

aa) Bezüglich der auf den Maisfeldern sowie im Anwesen des Angeklagten sichergestellten Betäubungsmittel, die noch nicht geerntet waren, ist der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) strafbar. Es bestand hinsichtlich dieser Betäubungsmittel ein von einem Besitzwillen getragenes tatsächliches Herrschaftsverhältnis im Sinne einer tatsächlichen Verfügungsmacht über das Rauschgift, die es dem Angeklagten ermöglichte, mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 555/10 juris Rn. 12 f. mwN). Die Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt insoweit diejenige wegen Anbaus von Betäubungsmitteln; denn derjenige, der Cannabispflanzen aufzieht und dabei Besitz an ihnen hat, macht sich bei Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge nicht nur wegen des Vergehens des Anbaus von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, sondern wegen des Verbrechens des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 555/10, juris Rn. 12; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 113 mwN).

[…]

bb) Hinsichtlich des in seinem sowie dem Anwesen seiner Eltern aufgefundenen Rauschgifts, das bereits abgeerntet und getrocknet war, ist der Angeklagte des Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig. Der Angeklagte erntete ausweislich der Feststellungen das Rauschgift und machte es verbrauchsfähig; damit sind die Voraussetzungen des Herstellens erfüllt (Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 29 Teil 3 Rn. 11 ff.). Hinter dieser Tatbestandsalternative tritt der hier bezüglich dieser Betäubungsmittel ebenfalls gegebene Auffangtatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (Weber, aaO, § 29a Rn. 196 mwN). Weil bereits die Wirkstoffmenge des in dem Anwesen der Eltern des Angeklagten sichergestellten getrockneten Marihuanas die Grenze zur nicht geringen Menge überschritt, kommt es für den Schuldspruch wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht darauf an, ob der Wirkstoffgehalt des abgeernteten Rauschgifts, das sich in dem Anwesen des Angeklagten befand, für sich betrachtet ebenfalls über dieser Grenze lag.
cc) Es liegt insgesamt nur eine Tat im materiellrechtlichen Sinne vor (§ 52 StGB). Der gleichzeitige Besitz verschiedener, zum Eigenverbrauch bestimmter Betäubungsmittel durch den Angeklagten ist nur als ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu werten. Dies gilt auch dann, wenn wie hier verschiedene Rauschgiftmengen separat an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 – 4 StR 358/04, BGHR 13 14 9 – BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; Weber, aaO, § 29 Rn. 1365 mwN) und wenn der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge teilweise hinter das Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurücktritt.

BGH, Urteil vom 16.10.2014, 3 StR 268/14

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