Hanfblütentee ist auch verboten und unterfällt dem BtMG, wenn der THC-Gehalt unter 0,2% beträgt. Das hat das LG Braunschweig mit Urteil vom 28.01.2020 entschieden und zwei Betreiber der Hanfbar in Braunschweig zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Revision zum Bundesgerichtshof zu rechnen. Problematisch ist, dass dieses Urteil auf CBD-Blüten übertragen werden wird.
LG Braunschweig, Urteil vom 28.01.2020, 4 KLs 5/19
Das Landgericht Braunschweig, 4. Große Strafkammer hat die beiden Betreiber der Hanfbar in Braunschweig wegen Verstößen gegen das BtMG zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Betreiber hatten offenbar große Mengen Cannabis aus dem Ausland eingeführt und in Gläsern zu zwei beziehungsweise fünf Gramm abgefüllt. Diese Gläser wurden im Anschluss als Hanfblütentee verkauft an Endkunden des Ladengeschäfts zum Preis von 10,- € pro Gramm des Tees.
Ein 28-jähriger Angeklagter wurde wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Zeitraum April bis September 2018 zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Ein 37-jähriger Angeklagter wurde wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in einem Fall im Zeitraum August bis September 2018 zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Als Bewährungsauflage wurden die Angeklagten angewiesen, die Abgabe von Cannabis und Cannabisprodukten an Endverbraucher, auf jeglichem Vertriebswege auch dann zu unterlassen, wenn deren THC-Gehalt unter 0,2 % liegt. Es wurde die Einziehung der Verkaufserlöse (49.860,06 €) und der Pflanzenteile angeordnet.
Im Rahmen dieses Verfahrens wurde vom Landeskriminalamt ein Wirkstoffgutachten in erstellt. Das Cannabis hatte einen Wirkstoffgehalt von circa 0,2 % THC.
Ist Cannabis unter 0,2% THC verboten?
Die Grenze von 0,2 % THC hat hier einige Bedeutung: Cannabis unterfällt grundsätzlich dem Betäubungsmittelgesetz. Das bedeutet, sämtliche Pflanzenteile der Pflanze Cannabis, die Pflanze selbst und insbesondere Marihuana sind grundsätzlich Verboten und nahezu jeglicher Umgang ist nach §§ 29 ff. BtMG strafbar. Dieses Verbot ist zunächst völlig unabhängig vom Wirkstoffgehalt.
Es gibt jedoch einige Ausnahmen dieser Regel. Cannabisprodukte unterfallen nicht dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) [wenn…]
[…] wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut von Sorten stammen, die am 15. März des Anbaujahres in dem in Artikel 9 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung genannten gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind, oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließenAnlage I zum BtMG, Stand: 31.01.2020
Hier liegt der Knackpunkt dieses Urteils: Voraussetzung für die Straflosigkeit von Cannabis ist nach BtMG und Urteil des LG Braunschweig vom 28.01.2020, dass
- der THC-Gehalt unter 0,2% THC liegt
- der Verkehr ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient,
- die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.
Das LG Braunschweig hat in der Hanfblütentee-Entscheidung festgestellt, dass der Hanfblütentee in diesem Fall unter das BtMG fällt. Damit ist die Veräußerung an den Endverbraucher trotz des Wirkstoffgehaltes von unter 0,2% THC strafbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
Nach Auffassung der 4. großen Strafkammer des LG Braunschweig liegt hier kein ausschließlich gewerblicher Zweck vor. Das Gericht ging davon aus, dass die Veräußerung an den Endverbraucher kein ausschließlich gewerblicher Zweck ist. Nach (umstrittener) Auffassung des LG Braunschweig liegen ausschließlich gewerbliche Zwecke nur vor, wenn an andere Gewerbetreibende veräußert wird.
Außerdem soll es in dem Verfahren zwei Sachverständigengutachten gegeben haben mit dem Ergebnis, dass nicht auszuschließen sei, „dass unverarbeitetes wirkstoffarmes Cannabis abhängig von der Art des Konsums geeignet sei, einen Rauschzustand hervorzurufen.“. Alleine damit hat das Landgericht hier eine Ausnahme aus Anlage I zum BtMG ausgeschlossen. Die gewerblichen Zwecke müssten einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.
Stellungnahme: Was bedeutet das für das Verbot von CBD-Cannabisblüten?
Dieses Urteil über Hanf-Tee ist ein deutlicher Rückschlag für die Händler und Verbraucher von CBD-Cannabis. Dieses Urteil ist leider wohl 1:1 auf CBD-Cannabis übertragbar. Etwas anderes würde gegebenenfalls gelten, wenn es sich um Cannabis handeln würde, dessen THC-Gehalt gegen Null geht. Dann wäre voraussichtlich eine Rauschwirkung ausgeschlossen.
Es ist kein Geheimnis, dass wir auch verschiedene Händler vertreten und verteidigen. Ein Punkt der Argumentation ist dabei, dass bei Abgabe in Handelsüblichen Mengen im einstelligen Grammbereich bei Wirkstoffgehalten unter 0,2% THC ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist. Zum Vergleich: Sichergestelltes Marihuana besitzt einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 13,8%. Um damit die „Wirkung“ von einem Gramm durchschnittlichem Marihuana zu erzielen, wäre eine Menge von 69 Gramm CBD-Cannabis erforderlich. „Zur Auslösung eines fühlbaren Effektes müssen beim Rauchen mindestens 2 bis 5 mg THC konsumiert werden, bei oraler Aufnahme 10 bis 15 mg (Geschwinde, 2013, Rn. 189).“ (KPV BtMG, Stoffe Teil 1. Betäubungsmittel Rn. 15, beck-online)
1g CBD-Cannabis mit Wirkstoffgehalt von maximal 0,2% THC enthält 2mg THC. Damit wäre auch bei vollständigem Konsum von einem Gramm THC eine Rauschwirkung ausgeschlossen.
Das hier vorliegende Urteil zum Hanfblütentee unterscheidet sich von der bisherigen Rechtsprechung dadurch, dass nun ein Urteil zu dem Fall vorliegt in dem 0,2% THC unterschritten wird und es hier gleichzeitig darum ging, ob gewerbliche Zwecke vorliegen oder nicht. Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass die gewerblichen Zwecke auch beim Endkunden vorliegen müssen. Zuletzt entschied das das BayObLG 2002, das OLG Hamm 2016 (OLG Hamm, Urteil vom 21.06.2016 , 4 RVs 51/16) und das OLG Zweibrücken 2010:
Die gewerblichen Zwecke müssen beim Endverbraucher vorliegen und nicht – z. B. in Form des betäubungsmittelrechtlichen Handeltreibens an sich oder dessen Gewerbsmäßigkeit gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG – beim Veräußerer. Die Ausnahmebestimmung soll das Marktpotential für die Hanfpflanze und ihre Verwendungsmöglichkeiten zur industriellen und möglicherweise energetischen Verwendung erschließen (vgl. Körner § 29 Rn. 27) und nicht besonders schwerwiegende Erscheinungsformen der Betäubungsmittelkriminalität privilegieren.
BayObLG (4. Strafsenat), Urteil vom 25. 9. 2002, 4 St RR 80/2002
Die Kammer hat zu Recht auch den Ausnahmetatbestand gem. lit b) verneint. Danach sind vom BtMG Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen ausgenommen, wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut stammen … oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 v.H. nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Diese Zwecke müssen nicht nur beim Verkäufer sondern vor allem bei dem Endnutzer vorliegen.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 25.05.2010, 1 Ss 13/10
(BeckRS 2010, 13810, beck-online)
Dass die gewerblichen Zwecke auch beim Endkunden gegeben sein müssen, ist durchaus diskussionswürdig. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesgerichtshof dazu positionieren wird. Der BGH hätte hier die einmalige Chance, CBD-Cannabis quasi über die Hintertür Hanfblütentee zu legalisieren. Das wäre zwar kein allzu großer Schritt in Richtung einer Legalisierung von Marihuana, würde aber einen weiteren Baustein liefern. Im Anschluss an den „Cannabis-Beschluss“ (VerfG, Beschluß vom 09.03.1994, 2 BvL 43/92) ist aber auch gut möglich, dass sich der BGH hier zurückhaltend äußern wird weil eine Legalisierung lediglich von der Gesetzgebung ausgehen kann.
Das BVerfG geht zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es einen Grenzbereich zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungsunrecht gibt, daß in diesem Bereich zwischen den genannten Erscheinungsformen des Unrechts nur graduelle Unterschiede bestehen und daß es demgemäß Sache des Gesetzgebers ist, hier die genaue Grenzlinie im einzelnen festzulegen.
VerfG, Beschluß vom 09.03.1994, 2 BvL 43/92