§ 266a StGB – Strafverteidigung, Strategie, Definitionen

§ 266a StGB - Vorenthalten

§ 266a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist der zentrale Straftatbestand der Schwarzarbeit. Häufig machen sich auch Unternehmer in der Krise strafbar, wenn bei Zahlungsschwierigkeiten keine Löhne mehr gezahlt werden. § 266a StGB ist einer der häufigsten Tatbestände im deutschen Wirtschaftsstrafrecht. Die praktische Relevanz von § 266a StGB ist erheblich: Zahlreiche strafrechtliche Ermittlungsverfahren und gerichtliche Strafverfahren im Unternehmenskontext drehen sich um die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Norm betrifft nicht nur kleine und mittlere Unternehmen, sondern auch Konzerne, sehr häufig Bauunternehmer und Handwerks- sowie Dienstleistungsunternehmen aller Art.

§ 266a StGB - Strafbarkeit und Haftung

Bereits bei organisatorischen Mängeln, Missverständnissen zur Beitragspflicht oder wirtschaftlichen Krisensituationen droht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Dabei greift § 266a StGB weit und erfasst verschiedenste Fallkonstellationen.

Kaum ein Tatbestand im Wirtschaftsstrafrecht ist für Unternehmer in der Krise so brisant wie § 266a StGB. Bereits die fahrlässige Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung kann erhebliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – ganz zu schweigen von bewussten oder institutionellen Verletzungen.

Als Arbeitgeber haften Sie nicht nur für die korrekte und pünktliche Abführung der Beiträge, sondern tragen auch das strafrechtliche Risiko, wenn organisatorische Versäumnisse, wirtschaftliche Krisen oder schlicht Unkenntnis zur Nichtzahlung führen. Dabei trifft die Strafbarkeit nicht nur den formellen Geschäftsführer, sondern auch den faktischen Entscheidungsträger – wie der Bundesgerichtshof betont hat: “In jedem Fall Täter ist […] der faktische Geschäftsführer.” (BGHSt 47, 318, 324 = NJW 2002, 2480).

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Schutzbereich von § 266a StGB

§ 266a StGB schützt in den Absätzen 1 und 2 das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung der Finanzierungsgrundlagen der Sozialversicherung (BGH NStZ 2006, 227, 228), in Absatz 3 das individuelle Vermögensinteresse des Arbeitnehmers (BT-Drs. 10/5058, 31).

Diese Zielsetzung führt dazu, dass auch eine sog. Nettolohnabrede, bei der sich der Arbeitgeber zur Übernahme der Arbeitnehmeranteile verpflichtet, die Pflicht zur Beitragsabführung nicht entfallen lässt (BGHSt 53, 71, 75 = NJW 2009, 528). Gleiches gilt bei illegaler Beschäftigung, dem Einsatz von Scheinselbstständigen oder dem Vorschieben eines Strohmanns (BGH NJW 2011, 3047). Maßgeblich ist stets die objektive sozialversicherungsrechtliche Betrachtung der Arbeitsverhältnisse, nicht die vertragliche Gestaltung oder die gewählte Rechtsform.

“Bei der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV handelt es sich um die Fiktion einer Nettolohnabrede für illegale Beschäftigungsverhältnisse, bei denen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Diese Fiktion greift unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung ein.” (BGH 1 StR 416/08 – 2. Dezember 2008 (LG Landshut) [= HRRS 2009 Nr. 127])

Wer kann verurteilt werden? Täter bei § 266a StGB

Täter bei § 266a StGB kann auch sein, wer formal nicht als Arbeitgeber auftritt, aber faktisch die Unternehmensleitung ausübt. Dabei können auch Prokuristen oder leitende Angestellte in die Haftung geraten, wenn sie tätigkeitsbezogen Verantwortung im Bereich Personal oder Sozialversicherung übernehmen (BGH NJW 2002, 2480; OLG Frankfurt ZIP 1995, 213).

Die Abführungspflicht hat Vorrang gegenüber allen anderen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten, auch im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens (BGHZ 134, 304 = NJW 1997, 1237). Nur in engen Ausnahmefällen kann wirtschaftliche Unmöglichkeit strafbefreiend wirken.

§ 266a StGB - Strafverteidigung

§ 266a StGB Definitionen und Tatbestandsvoraussetzungen

Absatz 1 – Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen

Erfasst wird die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Die Fälligkeit richtet sich nach § 23 Abs. 1 SGB IV (drittletzter Bankarbeitstag des Monats). Die Strafbarkeit setzt keine tatsächliche Auszahlung des Lohns voraus (Lohnpflichttheorie). Bereits bei wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit droht Strafbarkeit, sofern diese selbst verursacht wurde oder der Arbeitgeber versäumt hat, Rücklagen zu bilden (BGH NJW 2002, 1123).

Absatz 2 – Unrichtige Angaben oder pflichtwidriges Schweigen

Hier wird die Täuschung oder das bewusste Unterlassen von Mitteilungen gegenüber den Einzugsstellen sanktioniert, sofern dadurch Arbeitgeberbeiträge nicht abgeführt werden. Einfache Zahlungsschwierigkeiten reichen für die Strafbarkeit nach Abs. 2 nicht aus; vielmehr muss das Vorenthalten kausal auf unrichtige Angaben oder das In-Unkenntnis-Lassen der zuständigen Stellen zurückgehen (vgl. Rönnau/Kirch-Heim wistra 2005, 325).

Absatz 3 – Einbehaltene, aber nicht abgeführte Lohnbestandteile

Der Arbeitgeber behält Lohnbestandteile (z. B. vermögenswirksame Leistungen) ein, führt sie aber nicht an den Dritten ab und informiert den Arbeitnehmer darüber nicht. Strafbar ist nicht nur die Nichtabführung, sondern insbesondere das pflichtwidrige Unterlassen der Mitteilung an den Arbeitnehmer.

Absatz 4 – Besonders schwerer Fall des § 266a StGB

§ 266a StGB im Besonders schweren Fall liegt insbesondere vor bei Tätigkeit aus grobem Eigennutz, bei bandenmäßigem Vorgehen oder beim Gebrauch gefälschter Belege. Ab einem Schaden von 50.000 Euro kann ein “großes Ausmaß” im Sinne des Gesetzes angenommen werden (BGHSt 53, 71, 73).

Absatz 5 – Gleichgestellte Personen

Gleichgestellt mit dem Arbeitgeber bei § 266a StGB sind Auftraggeber von Heimarbeitern, Hausgewerbetreibenden oder ihnen gleichgestellten Personen i.S.d. Heimarbeitsgesetzes.

Absatz 6 – Strafbefreiende Selbstanzeige

Wird die Einzugsstelle rechtzeitig schriftlich über die vorenthaltenen Beiträge und die Zahlungsgründe informiert, und erfolgt die Nachzahlung fristgerecht, so entfällt die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 6 StGB. Die Anzeige muss vollständig, schriftlich und rechtzeitig erfolgen, die Zahlung innerhalb der gesetzten Frist (BT-Drs. 10/318, 31).

§ 266a StGB in der Praxis

Praxisbeispiele

  • Ein Unternehmen zahlt die Nettolöhne aus, unterlässt aber die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Der Geschäftsführer beruft sich auf eine Zahlungsunfähigkeit.
  • Ein Subunternehmer meldet seine Arbeiter nicht zur Sozialversicherung an.
  • Ein Arbeitgeber behält vermögenswirksame Leistungen ein, führt sie nicht ab und informiert die Arbeitnehmer nicht darüber.

 

Verteidigungsstrategien und Empfehlungen

  • Frühzeitige Aufarbeitung: Sorgfältige Analyse von Zahlungsflüssen, Personalverantwortung und Dokumentation.
  • Notfalls Selbstanzeige nutzen: Nach § 266a Abs. 6 StGB besteht die Möglichkeit der Strafbefreiung.
  • Compliance-Systeme etablieren: Organisation, Vertretungsregelungen, Zahlungsprozesse und Zuständigkeiten müssen klar geregelt sein.

 

§ 266a StGB ist kein Nebendelikt, sondern ein strafrechtlicher Kernbereich für Unternehmer, insbesondere im Mittelstand. Die Strafbarkeit setzt weder eine Bereicherungsabsicht noch eine Schädigungsabsicht voraus. Schon organisatorische Defizite oder wirtschaftlicher Druck reichen aus, um in das Visier von Staatsanwaltschaft und Sozialversicherung zu geraten.

Dabei ist nicht entscheidend, ob Beiträge letztlich doch noch abgeführt werden – die Fälligkeit ist entscheidend. Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten entbinden nur dann von der Strafbarkeit, wenn die Zahlungsunfähigkeit nicht selbst verschuldet wurde (BGH NJW 2002, 1123, 1125).

Nach § 266 Abs. 1 StGB macht sich auch strafbar, wer zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistungsfähig war, es aber bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen unterlassen hat, Sicherungsvorkehrungen für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu treffen, und dabei billigend in Kauf genommen hat, dass diese später nicht mehr erbracht werden können. Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen setzt nicht voraus, dass an die Arbeitnehmer tatsächlich Lohn abgeführt wurde. (BGH, Beschluss vom 28. 5. 20025 StR 16/02 (LG Neuruppin)

In geeigneten Konstellationen kann § 266a Abs. 6 StGB die Möglichkeit der Strafbefreiung bieten – dies setzt allerdings ein frühzeitiges und nachvollziehbares Offenlegen der Beitragsrückstände und Zahlungsgründe voraus. Eine vollständige und schriftliche Mitteilung an die Einzugsstelle ist zwingend. Erfolgt danach die Nachentrichtung der Beträge innerhalb der gesetzten Frist, ist der Arbeitgeber insoweit straffrei gestellt.

Eine wirksame Compliance-Struktur, klare Verantwortlichkeiten, vorausschauende Liquiditätsplanung sowie rechtzeitige juristische Beratung sind der beste Schutz gegen Ermittlungen und Strafverfahren nach § 266a StGB.

Was bedeutet § 266a StGB

§ 266a StGB stellt das Vorenthalten von Arbeitsentgelt unter Strafe. Gemeint ist insbesondere die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung sicherzustellen und Arbeitnehmer vor wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen.

 

Die Vorschrift schützt in Abs. 1 und 2 das Finanzierungsinteresse der Solidargemeinschaft der Sozialversicherten. Abs. 3 dient dem individuellen Vermögensschutz der Arbeitnehmer (vgl. BT-Drs. 10/5058, 31). Die Norm hat damit sowohl kollektiven als auch individuellen Schutzcharakter.

Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Fälligkeitstages der Beiträge (BGHSt 65, 136 = NJW 2020, 3469) und beträgt im Regelfall fünf Jahre (Regelverjährung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).

Bei Abs. 1 und 2 handelt es sich um echte Unterlassungsdelikte. Der tatbestandliche Erfolg besteht in der Nichtabführung der Beiträge zum Fälligkeitstag. Abs. 3 verlangt darüber hinaus das pflichtwidrige In-Unkenntnis-Lassen des Arbeitnehmers darüber, dass ein einbehaltener Entgeltteil nicht weitergeleitet wurde.

Nur Arbeitgeber oder ihnen gleichgestellte Personen können Täter des § 266a StGB sein. Dazu zählen auch faktische Geschäftsführer, Organvertreter sowie in bestimmten Konstellationen Prokuristen und leitende Mitarbeiter. Auch Hausgewerbetreibende und Heimarbeits-Auftraggeber sind nach Abs. 5 erfasst.

 

Seit der Beitragszahlungsverordnung ist bei Teilzahlungen ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung eine gleichmäßige Anrechnung auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile vorgesehen. Nur wenn alle fälligen Beiträge abgedeckt sind, entfällt die Strafbarkeit. Eine abweichende Tilgungsbestimmung muss hinreichend deutlich sein.

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Konstantin Grubwinkler
Konstantin Grubwinkler zählt zu den bekanntesten Strafverteidigern Deutschlands. Er ist renommierter Fachanwalt für Strafrecht und bundesweit gefragter Spezialist für Betäubungsmittelstrafrecht und Konsumcannabisgesetz.

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