Was ist das UN-Kaufrecht?
Das UN-Kaufrecht ist ein völkerrechtlicher Vertrag über das Recht, das beim internationalen Kauf von Waren zur Anwendung kommt.
Mag auch das Konstrukt der Vereinten Nationen den Meisten ziemlich abstrakt und alltagsfern erscheinen, so bildet die globale Institution doch mit zahlreichen Verträgen eine wichtige Basis für das Funktionieren des Welthandels. Einer dieser Verträge, das sogenannte UN-Kaufrecht (englisch: CISG), regelt die Rechtsverhältnisse bei einem internationalen Kauf einer beweglichen Sache. Dabei sind Käufer und Verkäufer Angehörige verschiedener Staaten. Daraus folgt oft eben, dass sich zwei oder mehr Rechtsordnungen gegenüberstehen und somit im Zweifel das UN-Kaufrecht anwendbar ist. Das UN-Kaufrecht ist Teil des internationalen Wirtschaftsrechts.
Das UN-Kaufrecht, offiziell „Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf“ (CISG – United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods), wurde am 11. April 1980 in Wien verabschiedet und trat 1988 in Kraft. Es gilt in mittlerweile über 90 Staaten – darunter alle EU-Mitgliedstaaten, die USA, China und Russland – und bildet damit eines der weltweit bedeutendsten Handelsrechtsinstrumente. Deutschland ist seit 1991 Vertragsstaat. Ziel des CISG ist es, durch eine einheitliche Rechtsgrundlage die Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Warenverkehr zu erhöhen und kostspielige Konflikte über das anwendbare nationale Recht zu vermeiden.
Welche Pflichten hat der Verkäufer nach UN-Kaufrecht?
Das UN-Recht regelt alle Rechte und Pflichten bei einem Kaufvertrag. Eine zentrale Pflicht des Verkäufers ist es dabei die Sache mangelfrei zu übergeben. Die bedungene Sache soll keine Rechts- oder Sachmängel aufweisen. Rechtsmängel betreffen das Recht an einer Sache. Zum Beispiel liegt ein Rechtsmangel vor, wenn Ansprüche Dritter an der Sache bestehen oder wenn der Verkäufer selbst nicht Eigentümer der verkauften Sache war. Sachmängel hingegen sind gegeben, wenn die Sache nicht in der besprochenen Art, Qualität oder Menge übergeben wird.
Neben der Hauptpflicht zur mangelfreien Lieferung nach Art. 30 ff. CISG treffen den Verkäufer weitere Pflichten: Er muss die Ware ordnungsgemäß verpacken, sie fristgerecht und am vereinbarten Ort liefern sowie die dazugehörigen Dokumente übergeben. Dabei wird auf handelsübliche Gepflogenheiten („usages“) abgestellt, sofern sie den Vertragsparteien bekannt sind (Art. 9 CISG). Das CISG kennt keine klassische Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmängelgewährleistung wie im deutschen Recht, sondern behandelt alle Vertragswidrigkeiten unter dem Begriff der „non-conformity“ (Art. 35 CISG). Die Pflicht zur Untersuchung und Rüge ist in Art. 38 f. CISG geregelt – ein zentraler Punkt für die Durchsetzbarkeit von Mängelrechten.
Ist die Ware nach einer Untersuchung dennoch nicht frei von Mängeln und hat der Käufer dies binnen geeigneter Frist (meist 1-2 Wochen) beim Verkäufer gerügt, kann er innerhalb von 2 Jahren Gewährleistung in Anspruch nehmen. „Die kurze Frist für die Untersuchung richtet sich insbesondere nach der Größe des Unternehmens des Käufers, der Art der zu untersuchenden Ware, ihrer Komplexität oder Verderblichkeit oder dem Charakter als Saisonware, die Art der in Frage kommenden Menge, die Aufwendigkeit der Untersuchung.“ (2Ob191/98x; 1Ob223/99x; u.a. Rechtssatz des Obersten Gerichtshof Österreich). Wie die Gewährleistung im UN-Kaufrecht ferner aussieht, wird im Folgenden kurz behandelt.
Reubel Grubwinkler Rechtsanwälte: Wirtschaftsstrafrecht
Das UN-Kaufrecht findet in der wirtschaftlichen Praxis insbesondere bei internationalen Lieferverträgen zwischen Unternehmen Anwendung. Es gilt kraft Gesetzes, sofern beide Vertragsparteien ihren Sitz in Vertragsstaaten haben oder das IPR auf das Recht eines Vertragsstaates verweist (Art. 1 Abs. 1 CISG). Parteien können die Anwendung durch ausdrückliche Vereinbarung ausschließen (Art. 6 CISG). Gerade in komplexen Lieferketten mit Export- und Importkomponenten empfiehlt sich eine bewusste Entscheidung für oder gegen das CISG im Vertragstext. Die Beratung durch international erfahrene Wirtschaftsanwälte ist hierbei entscheidend, um rechtliche Risiken zu vermeiden und Vertragslücken zu schließen.
Allgemein gibt es – wie auch in zahlreichen nationale Rechtsordnungen – im internationalen Wirtschaftsrecht vier Möglichkeiten der Gewährleistung nach UN Kaufrecht:
Nacherfüllung im UN-Kaufrecht
Primär kann der durch eine wesentliche Vertragsverletzung benachteiligte Käufer auf eine Nacherfüllung durch den Verkäufer binnen einer angemessenen Frist vertrauen bzw. diese von diesem fordern. Die Nacherfüllung kann darin bestehen, dass er ihm eine gleiche Ware übergibt oder falls es wirtschaftlich zumutbar ist, die bereits übergebene Sache repariert und diese in den ordentlichen Zustand versetzt. Wirtschaftlich zumutbar ist die Reparatur dann, wenn die Kosten für die Reparatur nicht in deutlichem Ungleichgewicht zur Wert der Sache stehen.
Diese Nacherfüllung muss allerdings nicht immer vom Käufer verlangt werden, sondern kann auch auf die Initiative des Verkäufers zurückzuführen sein. Für diese Nacherfüllung seitens Verkäufer gelten jedoch auch einige Zumutbarkeits- und Annehmlichkeitsvoraussetzungen: Dem Käufer muss es zumutbar sein, innerhalb der Frist für die Nacherfüllung ohne die Ware auszukommen. Die Nacherfüllung darf dem Käufer keine Unannehmlichkeiten bereiten und muss möglich sein. Die Beratung durch einen Anwalt für internationales Wirtschaftsrecht ist oft empfehlenswert.
Das Recht auf Nacherfüllung folgt aus Art. 46 CISG. Der Käufer kann Ersatzlieferung oder Nachbesserung verlangen, sofern der Mangel eine „wesentliche Vertragsverletzung“ darstellt (Art. 25 CISG). Das CISG kennt keine automatische Vorrangregel der Nacherfüllung wie das deutsche BGB, sondern lässt dem Käufer ein Wahlrecht zwischen den Rechten auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz. Entscheidend ist, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Abhilfe geben muss („Nachfristsetzung“, Art. 47 CISG). Ein bloß geringfügiger Mangel berechtigt dagegen nicht zum Rücktritt, sondern nur zur Minderung oder Schadensersatzforderung.
Rücktritt im UN-Kaufrecht
Ein weiteres Mittel der Gewährleistung ist der Rücktritt vom Vertrag, mit dem alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag erlöschen, damit wird die Sache zurückgegeben und der Kaufpreis zurückerstattet, womit allerdings noch Schadenersatzansprüche bestehen können (siehe unten). Diesen Rücktritt kann der Käufer erst dann als Variante der Gewährleistung auswählen, wenn der Verkäufer nicht während der vereinbarten Nachfrist den Mangel behoben hat oder wenn sich der Mangel generell nicht beheben lässt. Beispielsweise entschied der österreichische Oberste Gerichtshof aufgrund des UN-Kaufrechts in einem Fall, dass eine Wertminderung von ca. 35% an einem hochpreisigen Kunstwerk keiner Nachbesserung verlangt, sondern sofort zu einem Rücktritt berechtigt. Bei solchen Gegenständen sei die Mangelfreiheit grundsätzlich von zentraler Bedeutung. Schon bei kleinen Mängeln wäre kein Interesse zum Vertragsschluss gegeben (vgl. 3Ob194/15y durch OGH am 16.12.2015).
Der Rücktritt vom Vertrag wird im CISG als „Avoidance“ bezeichnet und ist in Art. 49 CISG geregelt. Eine wesentliche Vertragsverletzung liegt nur vor, wenn der Käufer dadurch in einem Maße benachteiligt wird, dass ihm die Vertragserfüllung nicht mehr zugemutet werden kann. Der Rücktritt hat grundsätzlich ex-tunc-Wirkung, d. h. die Parteien müssen ihre empfangenen Leistungen zurückgewähren (Art. 81 CISG). In der Praxis stellt die Abgrenzung, wann eine Vertragsverletzung „fundamental“ ist, einen häufigen Streitpunkt dar. Maßgeblich sind dabei objektive Kriterien – insbesondere der Vertragszweck und die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Leistung.
Minderung im UN-Kaufrecht
Als letzte Möglichkeit, die sich dem Käufer bietet, um seinen Anspruch auf Richtigstellung durchzusetzen zu können, ist die Minderung des Kaufpreises. Diese kommt nur in Frage, wenn weder eine Nacherfüllung in Frage kommt noch eine Nachfrist gesetzt wurde, in der sich der Käufer bereit erklären würde eine Nacherfüllung zu akzeptieren. Der geminderte Preis ist dann im selben Verhältnis zu errechnen, wie der Mangelwert am Wert der geschuldeten Ware ausmacht. Nur selten kann diese Minderung krass ausfallen, wie folgender Auszug einer Entscheidung des OGH 3Ob193/04k zeigt:
In rechtlicher Hinsicht führte das (vorher entscheidende) Bundesgericht aus, die – dem Käufer von Anfang an bekannte (Art 40 UN-K) – Mangelhaftigkeit der Ware rechtfertige eine Preisminderung. Die dort angeordnete relative Berechnungsmethode führe bei Wertlosigkeit der gelieferten Ware zu einer Minderung des Preises auf null. Das UN-Kaufrecht beschränke die Preisminderung nicht auf unwesentliche oder behebbare Mängel. Eine wesentliche Vertragsverletzung könne schon bei an sich geringfügigen Mängeln bzw Verzögerungen vorliegen, die jedoch für eine der Parteien – vom Vertrag gedeckt – von grundlegender Bedeutung waren. Die Wertminderung knüpfe demgegenüber am objektiven Wert der Ware an. Die Minderung auf null sei daher – anders als eine Vertragsaufhebung – nur in Extremfällen möglich.
Das Minderungsrecht findet seine Grundlage in Art. 50 CISG. Es erlaubt dem Käufer, den Preis im Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert der gelieferten und dem Wert der vertragsgemäßen Ware zu reduzieren. Diese „proportionale Methode“ wird international weitgehend anerkannt und ermöglicht eine flexible Anpassung ohne Vertragsaufhebung. Anders als im deutschen Recht ist die Minderung nach CISG nicht vom Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung abhängig. Wichtig ist jedoch, dass der Käufer den Mangel fristgerecht gerügt hat. Wird keine Rüge erhoben, verliert der Käufer sämtliche Rechte aus dem Mangel – ein Punkt, der im internationalen Handel regelmäßig über den Ausgang von Streitigkeiten entscheidet.
Schadensersatz im UN-Kaufrecht
Abschließend besteht unabhängig dieser Gewährleistungsansprüche der Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens. Er kann auf verschiedene Arten berechnet werden.
Primär wird der entstandene Schaden, der durch die Vertragsverletzung – in Form der mangelhaften Sache – entstanden ist, durch den realisierten Verlust zuzüglich des entgangenen Gewinns berechnet. Auch kann nach Rücktritt vom Vertrag der Schadensersatz so gewählt werden, dass er die Differenz zwischen dem Wert der geschuldeten mangelfreien Sache und dem Deckungskauf darstellt. Der Deckungskauf ist der Erwerb einer gleichen Ware, die demselben Zweck, wie die vorher erworbene Sache, dient und ihn erfüllt. Unabhängig davon ob ein solcher Deckungskauf wirklich getätigt wird, kann auch die Differenz des ehemaligen Kaufpreises zum ortsüblichen Marktwert als Schadensersatz gefordert werden.
Die Gewährleistungs- und Schadenersatzrechte des UN-Kaufrechts sind stark an unser nationales Zivilrecht angelehnt. Auch in Hinblick darauf, dass es keine eigene UN-Gerichtsbarkeit für Zivilsachen gibt und diese Rechte demnach von nationalen Gerichten judiziert werden, können für die oben gewählten Beispiele innerstaatliche Rechtssprechung verwendet werden. Der früher generell praktizierte grundsätzliche Ausschluss des UN-Kaufrechts in AGB und Verträgen ist nicht immer sinnvoll.
Der Schadensersatzanspruch nach Art. 74 CISG erfasst sowohl den tatsächlichen Schaden als auch den entgangenen Gewinn. Die Berechnung erfolgt nach dem Prinzip der „Full Compensation“, also des vollständigen Ausgleichs des erlittenen Vermögensnachteils. Dabei sind auch Folgeschäden – etwa durch Produktionsausfälle oder Vertragsstrafen gegenüber Dritten – ersatzfähig, sofern sie bei Vertragsschluss vorhersehbar waren. Art. 75 und 76 CISG enthalten ergänzende Regeln zur Schadensberechnung bei Deckungskauf oder Marktpreisermittlung. Der internationale Schadensersatz nach CISG folgt dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht (Art. 77 CISG) – der Geschädigte muss also wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen ergreifen, um seinen Schaden gering zu halten.
Die Gewährleistungs- und Schadenersatzrechte des UN-Kaufrechts
Das CISG steht in engem Zusammenhang mit nationalen Zivilrechtsordnungen, wird aber autonom ausgelegt. Deutsche Gerichte wenden es regelmäßig als selbständiges Völkervertragsrecht an (vgl. BGH, Urt. v. 3. April 1996 – VIII ZR 51/95, NJW 1996, 2364). In der Praxis hat sich das UN-Kaufrecht als flexibles und ausgewogenes System erwiesen, das eine hohe Vertragssicherheit gewährleistet. Die frühere Praxis, das CISG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen pauschal auszuschließen, ist rückläufig – nicht zuletzt, weil die Regeln in vielen Fällen für Exporteure günstiger sind als das nationale Recht. Für Unternehmen mit internationaler Geschäftstätigkeit ist daher eine bewusste Auseinandersetzung mit dem CISG Teil professioneller Vertragsgestaltung.