Racial Profiling verfassungswidrig?
Racial Profiling ist, wenn zum Beispiel Hautfarbe als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen / Kontrollen verwendet wird.
Die Bundesrepublik Deutschland verbietet in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) jede Benachteiligung wegen der “Rasse” oder ethnischen Herkunft. Die Brisanz des Racial Profiling springt hier ins Auge. Das Diskriminierungsverbot gilt unmittelbar für jedes staatliche Handeln, also auch für polizeiliche Maßnahmen. Bereits das Anknüpfen an ein in Art. 3 Abs. 3 GG genanntes Merkmal als mitentscheidendes Motiv in einem “Motivbündel” – Racial Profiling – reicht für die Annahme eines Verstoßes aus. Es ist nicht erforderlich, dass die diskriminierende Eigenschaft das alleinige oder hauptsächliche Kriterium für die Maßnahme war.
Damit sind polizeiliche Identitätskontrollen, bei denen das Erscheinungsbild (z. B. Hautfarbe) eine Rolle spielt, grundrechtlich besonders sensibel. Der Staat muss rechtfertigen, dass eine solche Kontrolle auf objektiven, tatsächlichen Anhaltspunkten beruht. Eine bloße Annahme oder ein Erfahrungswert genügen grundrechtsdogmatisch nicht.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat 2018 entschieden, dass eine bloße Anknüpfung an die Hautfarbe im Rahmen einer polizeilichen Standardmaßnahme wie einer Identitätskontrolle nicht zu rechtfertigen ist und gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstößt. (Oberverwaltungsgericht NRW, 5 A 294/16)

Racial Profiling - Bundespolizei
Die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Kontrollen ergeben sich insbesondere aus dem Bundespolizeigesetz (BPolG), namentlich den §§ 22 und 23. Nach § 22 Abs. 1a BPolG kann die Bundespolizei im Grenzgebiet sowie in Bahnhöfen und Zügen anlasslose Identitätskontrollen zur Verhinderung illegaler Einreise durchführen. Auch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG wird für stichprobenartige Kontrollen herangezogen.
Diese Normen erlauben verdachtsunabhängige Maßnahmen. Werden sie aber selektiv nach äußerlichen Merkmalen angewendet, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG vor. Die Praxis, Personen mit “nicht-deutschem” Erscheinungsbild bevorzugt zu kontrollieren, wird daher zu Recht als unzulässiges “Racial Profiling” kritisiert. Inzwischen existieren zahlreiche Urteile und Fachveröffentlichungen, die die mangelhafte Normenklarheit und die Gefahr struktureller Diskriminierung hervorheben.
Racial Profiling und Europarecht
Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält mit Art. 14 (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art. 8 (Recht auf Privatleben) sowie Art. 13 (Recht auf effektive Beschwerde) einschlägige Schutzvorschriften.
Im Fall Basu/Deutschland hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 18.10.2022 klargestellt, dass Racial Profiling, also rassistisch motivierte Polizeikontrollen, insbesondere wenn sie öffentlich erfolgen, die betroffene Person stigmatisieren und daher tief in ihre Menschenwürde eingreifen. Er betont die staatliche Pflicht, bei substanziellem Verdacht einer Diskriminierung umfassende und unabhängige Ermittlungen durchzuführen. Der Schutz vor rassistischer Diskriminierung darf nicht theoretisch oder illusorisch bleiben, sondern muss in der Praxis wirksam sein.
Auch das EU-Recht (z. B. Schengener Grenzkodex, Art. 67 AEUV) setzt derart anlasslosen Kontrollen bei Racial Profiling Grenzen, wenn sie zur mittelbaren Diskriminierung führen. Dies hat der EuGH im “Melki-Urteil” betont.
Schleierfahndung
Ein besonders sensibles Feld ist Racial Profiling bei der sogenannten Schleierfahndung, also anlassloser Kontrolle im grenznahen Raum oder auf Verkehrswegen. In diesen Fällen wird der Polizei ein weites Ermessen eingeräumt. Racial Profiling ist auch hier problematisch.
Dabei ist jedoch das gesetzgeberische Ziel streng zu beachten. Wird das Ermessen in diskriminierender Weise ausgeübt, etwa wenn Hautfarbe als ausschlaggebendes oder mittragendes Kriterium dient, ist die Maßnahme rechtswidrig (Racial Profiling). So hat das Verwaltungsgericht Koblenz bereits 2012 festgestellt, dass eine Kontrolle allein wegen der Hautfarbe ermessensfehlerhaft und grundrechtswidrig ist. Die Behörde trifft dabei eine besondere Darlegungslast.
Prozessuale Möglichkeiten gegen Racial Profiling
Da sich Identitätsfeststellungen faktisch schnell erledigen, ist der Verwaltungsrechtsweg erschwert. In der Regel kommt nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht.
Die Rechtsprechung erkennt dabei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse insbesondere an, wenn ein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt (hier: Art. 3 Abs. 3 GG) und eine Wiederholung zu befürchten ist oder eine öffentliche Stigmatisierung erfolgte. Der EGMR hat klargestellt, dass allein die Möglichkeit rassistischer Diskriminierung genügt, um den Eingriff als schwerwiegend anzusehen.
Im Strafrecht hat eine rechtswidrige Kontrolle mehrere mögliche Folgen. Führt eine rechtswidrige Durchsuchung auf Grund von Racial Profiling zu einem Fund und damit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, muss der Beweisverwertung widersprochen werden. Eine rechtswidrige Durchsuchung kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Dasselbe gilt für Fälle im Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nach § 113 Abs. 3 S. 1 StGB ist Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gerechtfertigt und nicht strafbar, wenn die Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Wehrt sich also eine betroffene Person gegen eine Durchsuchung auf Grund von Racial Profiling, so ist die Tat nicht strafbar.
VORSICHT: Vor Gericht wird gegen mindestens zwei Polizeizeugen schwer nachzuweisen sein, dass die Kontrolle auf Grund von Racial Profiling stattgefunden hat. Insoweit genießen die Polizeiangehörigen leider einen Vertrauensvorschusss gegenüber den Angeklagten.
In den besten Händen
Racial Profiling und Beweisproblematik in der Praxis
Ein zentrales Problem liegt in der gerichtlichen Nachweisbarkeit. Die Polizei beruft sich häufig auf Erfahrungswerte oder subjektive Beobachtungen. Demgegenüber ist es für die Betroffenen schwer zu belegen, dass ein verpöntes Merkmal (etwa die Hautfarbe) tatsächlich mitentscheidend war.
Daher fordern viele Stimmen in der Literatur eine Umkehr oder zumindest Absenkung der Darlegungslast zugunsten der Betroffenen, insbesondere wenn das Verhalten der kontrollierten Person keinerlei objektiven Anlass zur Kontrolle bietet.